Fashion Director Julie Pelipas über ihren Traumjob und ihren persönlichen Stil

Die Ukrainerin wurde dank ihrer minimalistischen und zukunftsweisenden Ästhetik zur Kultfigur der Modeszene. Mit uns spricht sie über ihren unkonventionellen Weg in die Modewelt, eine Karrierepause und warum sie Anzüge liebt

Die Kunst des Stils

Es ist schwierig für mich, Ratschläge zu geben, wie man in der Modeindustrie erfolgreich wird. Denn für mich ist dies durch eine Reihe glücklicher Zufälle passiert. Als ich jünger war, glaubte ich, dass ich sicher im Verlagswesen landen würde – ich habe an der Uni Journalismus studiert. Als ich nach Kiew zog, gab es da absolut keine Modeszene. Keine Designer, keine Boutiquen. Daher habe ich Mode für eine Karriere wahrscheinlich nie ernsthaft in Erwägung gezogen. Doch als die ersten Model-Agenturen in der Stadt auftauchten, habe ich dort bald angefangen, Fotoshootings zu stylen. So freundete ich mich auch mit John Casablancas, dem Gründer von Elite Models, an. Er war der Erste, der mein Talent bemerkte, und seine Unterstützung hat mich wirklich angespornt.

Als Harper’s Bazaar 2008 eine Dependance in der Ukraine aufmachte, wurde ich als Redakteurin engagiert. Das war ein riesiger Karriereschritt und ich habe sehr viel dabei gelernt. Das Team war nur sehr klein und wir mussten lernen, wie man jeden Monat ein Magazin produziert. Ich bin besonders stolz darauf, dass wir, nachdem wir anfangs all unser Bildmaterial nur von anderen übernahmen, da es keine lokalen Produzenten oder Fotografen gab, schließlich unser eigenes Material produziert haben. Es hat ein Jahr gedauert, bis ich die Chefredakteurin davon überzeugt hatte, ein Fotoshooting vor Ort in Kiew zu machen. Ich habe sogar angeboten, die Kosten selbst zu übernehmen, falls wir am Ende die Bilder nicht verwenden würden – da wusste sie, dass ich es ernst meinte. Ich war noch ein richtiges Kind, voller Energie und Enthusiasmus. Ich habe dann grünes Licht bekommen und ein Team von Moskau eingeflogen. Das war wahrscheinlich der erste Fashion-Shoot in der Ukraine.

„Ich wollte immer anders aussehen und durchsuchte den Schrank meiner Mutter, um ihre Stücke für mich selbst neu zu erfinden“

Bald danach wurde ich zum Senior Fashion Editor befördert. Am nächsten Tag habe ich meiner Chefin gesagt, dass ich schwanger bin und Kiew verlassen würde, um die nächsten zwei Jahre in Bali zu verbringen. Alle dachten, ich sei verrückt. Ich habe gerade diesen tollen Job bekommen und meine Karriere befand sich auf dem richtigen Weg, doch ich wusste, dass es die richtige Entscheidung war. Meine Tochter Penelope kam zur Welt und ich verbrachte zwei fantastische, gemütliche Jahre, in denen ich lernte, Mutter zu sein – Stillen, Yoga und frische Mangos auf einer wunderschönen Insel. Wenn ich zurückblicke, war es eine meiner besten Entscheidungen, den Mut aufzubringen und eine Auszeit zu nehmen. Als ich 2011 nach Kiew zurückkam, war Vogue kurz davor, in der Ukraine zu launchen und lud mich ein, Teil des Teams zu werden. Ich sagte natürlich zu und war seit dem ersten Tag dabei.

Lustig ist, dass ich eigentlich erst im Erwachsenenalter mein erstes Modemagazin gelesen habe. Ich habe Mode nie näher in Betracht gezogen, bei genauerem Überlegen war sie aber immer ein großer Teil meines Lebens. Meine Mutter, Großmutter und Urgroßmutter waren begabte Schneiderinnen. Damit verdienten sie Geld, sie hatten aber auch einen herausragend guten Geschmack. Wenn nötig, konnte meine Mutter sich in ein paar Stunden ein Kleid oder einen Mantel nähen. Zu der Zeit war die Ukraine Teil der Sowjetunion, also eine komplett andere Welt. Man konnte nicht einfach in ein Geschäft gehen und sich neue Kleidung kaufen. Also musste meine Mutter ihre eigene kreieren. Als ich aufwuchs, hatte diese Selbstständigkeit und Kreativität großen Einfluss auf meinen eigenen Stil. Auch in der Schule wollte ich immer anders aussehen, ich durchsuchte immer den Schrank meiner Mutter, um ihre Stücke für mich selbst neu zu erfinden.

Diese Angewohnheit habe ich noch immer. Als ich nach Kiew zog, um die Universität zu besuchen, verbrachte ich Stunden damit, Vintage-Shops nach alten Schätzen zu durchsuchen. Zu der Zeit begann ich Anzüge zu tragen. Ich kaufte Herrenmodelle in Secondhandläden und nähte sie auf meine Größe um. Ich experimentierte viel und war noch auf der Suche nach meinem Look, erinnere mich aber genau daran, wann ich das erste Mal einen Anzug trug. Es war so bequem und ich fühlte mich selbstbewusst und mächtig, ich fühlte mich ich selbst.

Wenn Sie einen Anzug kaufen, sollten Sie besonders darauf achten, dass es der richtige Schnitt für Sie ist. Kleine Details wie die Weite der Schultern und die Länge des Blazers machen für mich einen perfekten Anzug aus. Ich glaube, dass jede Frau mit jedem Körpertyp einen Anzug tragen kann. Man muss nicht schlank, oder groß, oder was auch immer sein. Wenn Sie clever mit den Proportionen spielen, können Sie beispielsweise die Illusion längerer Beine oder einer schlankeren Taille erzeugen. Ich habe einen athletischen Körper und liebe den Vintage-Stil, daher werde ich oft bei der Herrenmode fündig – ich bin ein großer Fan von Dunhill. Das ist die Magie von wirklich großartiger Schneiderkunst. Und ein Anzug ist die richtige Wahl bei jeder Gelegenheit. Wenn ich einen ins Büro anziehe – meistens mit einer Bluse – dann habe ich Seiden-Top und eine Statement-Kette dabei, um für ein Dinner, Drinks oder was auch immer ansteht, gewappnet zu sein.


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